Aufgrund der stagnierenden Konjunktur bleibt die Situation auf dem Wiener Arbeitsmarkt weiterhin angespannt. Im Jahresdurchschnitt 2005 waren insgesamt 81.436 Menschen in Wien beim AMS arbeitslos gemeldet. Während die Arbeitslosenquote bei Männern mit einem Minus von 1,3 Prozent leicht rückläufig war, stieg die Zahl der erwerbslosen Frauen um 0,2 Prozent an. Besonders betroffen waren im vergangenen Jahr vor allem junge Frauen. So stieg die Arbeitslosenzahl bei Wienerinnen bis 19 Jahre um 3,7 Prozent, bei Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren gar um 13 Prozent. Dr. Ingeborg Friehs, stellvertretende Landesgeschäftsführerin des AMS Wien: „Die Gründe für diesen Anstieg der Frauenarbeitslosigkeit sind vielfältig. Einerseits schaffen viele Arbeitnehmerinnen den Wiedereinstieg nach der Karenz nicht, andererseits fehlt oft die erforderliche berufliche Qualifikation. Vielfach liegt es auch daran, dass Frauen sich bei der Arbeitsuche weiterhin am traditionellen Bereich orientieren und dabei übersehen, dass es auch Jobchancen in anderen – nämlich bisher männerdominierten – Berufssparten gibt.“ Es ist das Ziel des AMS Wien, durch Qualifizierungsförderung Frauen den gleichen Zugang zu allen Berufen zu ermöglichen und vorhandene Qualifikationsdefizite auszugleichen. Daher hat das AMS Wien in Kooperation mit der murad&murad gmbH eine Ausbildung im Bereich Lagerlogistik speziell für Frauen ins Leben gerufen, die beiden Ansprüchen gerecht wird.
Andrea Murad, Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerks murad&murad: „Mit dieser Ausbildung wollen wir arbeitslose Frauen ermutigen, diesen Beruf zu ergreifen, der Tür und Tor in die Arbeitswelt eröffnet. Der Kurs, der gemeinsam mit erfahrenen TrainerInnen und BranchenexpertInnen entwickelt wurde, ist speziell auf die vielseitigen Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten.“ Praxisnahes fachliches Know-how Kern der Ausbildung ist die Lehreinheit Lagerlogistik. Sie umfasst die Inhalte Warenfluss, innerbetriebliche Logistik, Güter und Verpackung, technische Geräte im Lager und Organisation. Die Besucherinnen sollen für ihre späteren Aufgaben lernen, in welchen Mengen zum Beispiel bestimmte Produkte gekauft werden, wie lange diese im Lager bleiben und wie die für den Warentransport bestimmten Rollbehälter für die Märkte bzw. deren Mitarbeiter am besten geschlichtet werden. Ein zentraler Bestandteil des Kurses ist das zehnwöchige Praktikum. Die Frauen haben dabei die Gelegenheit, das Erlernte bei namhaften Unternehmen auch in die Praxis umzusetzen. Die gesammelten Erfahrungen während dieser Zeit werden im Anschluss gemeinsam reflektiert und diskutiert. „Die Zeiten der „Lebensstellen“ sind größtenteils vorüber. Sicherheit liegt einzig und allein in den eigenen Fähigkeiten. Durch den Erwerb von aktuellem Wissen verbunden mit einer Lehrabschlussprüfung als Lagerlogistikerin erhalten die Teilnehmerinnen einerseits Know-how aus der Branche, andererseits neue Selbstsicherheit“, so Murad. Ziel dieser Kurse ist es, auf pädagogisch hohem Niveau und sehr praxisbezogen Lust auf eine abgeschlossene Ausbildung zu machen, Versagensängste zu nehmen, sowie eine individuelle Begleitung und bestmögliche Unterstützung zur Erlangung der Lehrabschlussprüfung bzw. eines Arbeitsplatzes in diesem Bereich zu ermöglichen. So werden die Teilnehmerinnen auch bei der Entwicklung von angemessenen Zielperspektiven sowie bei der Bearbeitung von individuellen Defiziten, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen, sowohl im persönlichen wie auch im fachlichen Bereich unterstützt. Welt der Lagerlogistik für selbstbewusste Frauen „Lagerlogistik gilt nach wie vor in der Öffentlichkeit als typischer Männerberuf, obwohl Frauen nachweislich die besten Voraussetzungen für diesen Beruf mitbringen. Aus diesem Grund zieht sich Gender Mainstreaming durch den gesamten Kurs. Dadurch wollen wir die Frauen auf eventuell schwierige Situationen vorbereiten, damit sie Vorurteilen selbstbewusst entgegen treten und geschlechtsspezifische Konflikte gekonnt lösen können“, erklärt Murad. Bewerbungstraining und soziale Betreuung „Einige Frauen sind nach langer erfolgloser Jobsuche vielfach emotional und sozial instabil, haben Angst vor der Zukunft und sind unsicher. Daher steht ihnen eine ausgebildete Psychologin zur Verfügung, die gemeinsam mit ihnen in Einzelgesprächen die Probleme bei der Arbeitssuche verarbeitet.“ Lagerlogistik als Jobmotor KR Karl Gauster, Experte im Bereich Lagerlogistik: „Lagerlogistik zählt zur Zeit zu den Boombranchen, in denen viele Mitarbeiter gesucht werden. Auch in den nächsten Jahren wird die Nachfrage an Fachkräften weiter steigen. Dabei haben schon jetzt viele Unternehmen Probleme, freie Stellen mit entsprechend qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Vor allem Frauen sind seit der Abschaffung des Nachtarbeitsverbots immer mehr gefragt, da sie über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen.“ Stressresistenz, Flexibilität und die Fähigkeit, auch unter Zeitdruck zu arbeiten, sind die Grundvoraussetzungen für diesen Job. Neben den klassischen Soft-Skills wie Zuverlässigkeit, Eigenverantwortung und Teamgeist, spielt im Bereich Lagerlogistik strukturelles Denken eine große Rolle. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen diesen Anforderungen vielfach besser entsprechen als Männer. Nicht ohne Grund greifen auch in Österreich einige Unternehmen im Bereich Lagerlogistik ausschließlich auf Frauen zurück. Das zeigt wiederum, dass die Chance, in diesem Beruf Fuß zu fassen, für Frauen enorm ist. „Die Aussichten für eine Karriere in diesem Bereich sind ausgesprochen gut, wenn die Bewerber über eine entsprechende Ausbildung verfügen. Aus meiner Erfahrung als Ausbildner bin ich davon überzeugt, dass rund die Hälfte aller Teilnehmerinnen innerhalb von drei Monaten nach der Ausbildung einen Job haben. Zudem wird man nach einem Lehrabschluss auch anders im Kollektivvertrag eingestuft“, so Gauster. Auch die Aufstiegschancen sind in diesem Bereich rosig: Ausgebildete Lagerlogistik-FacharbeiterInnen haben gute Chancen sich schnell in eine mittlere Führungsposition hinaufzuarbeiten, rasch Verantwortung zu übernehmen und vielleicht irgendwann selbst einmal ein Lager zu leiten. |