Berufsbegleitendes Mentoring: Krisenfester Einkauf / Von Expertenwissen profitieren

Der Einkauf steht seit geraumer Zeit vor großen Herausforderungen: Erst sorgte die Corona-Pandemie für massive Störungen in den Lieferketten, dann blockierte die havarierte „Ever Given“ den Suez-Kanal, und jetzt herrscht Krieg in der Ukraine. Auf die Veränderungen, die all solche Ereignisse mit sich bringen, kurzfristig zu reagieren, ist für viele Unternehmen ohne externe Hilfe kaum möglich.

Autorin: Julia Kowal.

Die in dem Moment bestehenden Probleme lösen Einkaufsberater oft. Langfristig ist dieser Weg aber nicht der richtige. Sinnvoller und auch günstiger ist es, die eigenen Mitarbeiter zu Experten weiterzubilden. Das gelingt aber nur mit einem berufsbegleitenden Mentoring nachhaltig.

Krise folgt auf Krise: Die Beschaffung stellt das vor große Herausforderungen. Es gilt, Waren schnellstmöglich und zu einem guten Preis zu besorgen. Wie – damit sind die eigenen Mitarbeitenden oftmals überfordert, weil sie für den Krisenmodus nicht gerüstet sind. Unternehmen setzen daher auf externe Einkaufsberater und kaufen sich deren Expertise ein. Teils zu einem hohen Preis: Berater fangen bei rund 1000 Euro Tageshonorar an, spezialisierte Berater verlangen oftmals das doppelte oder mehr.

Unternehmen erzielen mit solchen Projekten zwar schnell gute Ergebnisse, weil sie von der Erfahrung und dem Netzwerk des Beraters profitieren – aber auch nur einmalige. Für jedes weitere Projekte muss dann wieder viel Geld investiert werden. Zudem schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit: Der Nutzen externer Beratung ist nicht sofort monetär greifbar. Welches Ergebnis das Projekt erzielt, kann kaum vorhergesehen werden. Einige Berater bieten ihre Leistung zwar auch auf Erfolgsbasis an; da sich der Erfolg jedoch nur bei Einsparungsprojekten gut messen lässt, ist dieses Honorarmodell nicht für alle Projekte geeignet. Zudem nehmen solche Berater nur Projekte an, deren Projektvolumen mindestes bei einer halben Million Euro liegt – und verlangen im ersten Jahr oftmals 50 Prozent der erzielten Einsparungen des ersten Jahres als Entlohnung.

Eigene Mitarbeiter zu Experten ausbilden.
Einen langfristigen und nachhaltigen Effekt erzielen Unternehmen vielmehr, wenn sie ihre eigenen Mitarbeiter zu Experten ausbilden. Etliche Seminare versprechen genau das, versuchen innerhalb kurzer Zeit möglichst viel Wissen zu vermitteln. Das Problem dabei: Die Teilnehmer können die Fülle an Inhalten gar nicht innerhalb weniger Tage aufnehmen und viel Wissen geht deshalb direkt wieder verloren. Zusätzlich fallen die Mitarbeiter während des Seminars im Unternehmen aus – vieles bleibt liegen, was nach der Schulung erst wieder aufgearbeitet werden muss. Bis sie das neu Gelernte dann endlich anwenden können, haben sie die meisten Seminarinhalte schon wieder vergessen. Selbst wenn noch etwas Theorie hängen geblieben ist, werden die Mitarbeiter mit der praktischen Umsetzung allein gelassen. Einen nachhaltigen Effekt haben solche Weiterbildungen daher eher nicht.

Abhilfe schafft ein neues Modell der Weiterbildung im Einkauf: Ein berufsbegleitendes Coaching und Mentoring über mehrere Monate hinweg. Anstatt die Teilnehmer innerhalb weniger Tage mit Inhalten zu überfrachten, finden über die Dauer eines solchen Programms hinweg unzählige kürzere Schulungen statt, entweder als Videosequenz on demand oder besser noch in Kombination mit einem Live-Coaching. Das Wissen wird so in leicht verdaulichen Häppchen vermittelt und kann deshalb langfristig abgespeichert werden. Zusätzlich sollten die Teilnehmer jederzeit die Möglichkeit haben, individuelle Fragen unkompliziert per Mail oder Sprachnachricht an die Coaches zu stellen. Tut sich im Arbeitsalltag ein Problem auf, erhalten die Teilnehmer dann direkt Hilfe vom Experten und werden auf diese Weise über Monate hinweg aktiv unterstützt.

Am Arbeitsplatz lernen und Wissen direkt anwenden.
Findet das Programm berufsbegleitend statt, hat dies auch den Vorteil, dass die Mitarbeiter nicht tagelang am Arbeitsplatz fehlen, von anderen Kollegen demnach nicht ersetzt werden oder ihre Arbeit nach dem Seminar nachholen müssen. Auch Reisekosten fallen weg. Viel gewichtiger ist aber der Umstand, dass das Wissen nicht theoretisch in einer externen Schulung vermittelt wird, sondern direkt in der Arbeitsumgebung und im Alltag des Teilnehmers. Anstatt dass die Teilnehmer tagelang nur als Zuhörer in einem Seminar sitzen und höchstens in konstruierten Situationen mal zur Anwendung angeregt werden, lernen sie direkt an ihrem Arbeitsplatz und können das Gelernte im Anschluss unmittelbar anwenden. Der Lerneffekt ist auf diese Weise deutlich höher und nachhaltiger. Im Idealfall animiert der jeweilige Baustein direkt zur Umsetzung in die Praxis, vermittelt also konkrete Arbeitsaufgaben und Tipps.

Zudem können sich die Teilnehmer solch gestaltete Kurse selbst einteilen: Sie schauen sich etwa eine Videosequenz an oder bearbeiten ein Kapitel im Workbook dann, wenn sie auch Zeit dafür haben oder sie inhaltlich gerade am besten zu ihrer Arbeit passt. Die Teilnehmer sollten darüber hinaus regelmäßig Rückmeldungen zu ihren Zwischenergebnissen erhalten; dann können sie ihre Arbeitsweise bei Bedarf anpassen und weiter in die richtige Richtung lenken.

Fazit:
Externe Einkaufsberater helfen Unternehmen zwar bei der Lösung kurzfristiger Probleme, sind aber auch teuer und erzielen keinen Wissenstransfer ins Unternehmen. Auf Dauer günstiger und nachhaltiger ist es, die eigenen Mitarbeiter zu befähigen. Mit klassischen Seminaren wird das schwierig bis unmöglich, weil sie innerhalb kurzer Zeit zu viele Inhalte vermitteln und fernab des Arbeitsalltags der Teilnehmer stattfinden. Einen langfristigen Effekt erzielen hingegen berufsbegleitende Coachingprogramme, die das Wissen in kleinere Bausteine aufteilen. Die Teilnehmer lernen direkt am Arbeitsplatz, können das Gelernte auf diese Weise direkt anwenden – und erzielen höhere und nachhaltige Lerneffekte. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2022


 

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