Eine RFID-Standardlösung gibt es nicht


Das Fallbeispiel der Migros Ostschweiz zeigt, dass es für jedes RFID-Projekt eine massgeschneiderte und individuell angepasste Lösung braucht. 

Für die Genossenschaft Migros Ostschweiz (GMOS), die von Gossau aus ein Netz von 121 Filialen bedient, war die unbefriedigende Prozesstransparenz ihrer Kühlkette Auslöser eines RFID-Projektes. RFID steht für «Radio Frequency Identification», die eine automatische Identifikation und Lokalisierung von Objekten ermöglicht. Das Problem lag darin, dass sich der angestrebte Qualitätsstandard mit der Temperaturüberwachung, welche die Migros nur stichprobenweise anwandte, bei der ausgelieferten Ware nicht immer erreichen liess. 

Im Zuge des Projektes rüstete man die gekühlten Teile der Fahrzeuge, Anhänger und Sattelauflieger mit RFID-Transpondern mit integriertem Sensor aus. Vier auf dem Areal der GMOS installierte Lesestellen an den Ein- und Ausfahrten sowie auf dem Areal selber sammeln die Daten der ein- und ausfahrenden Lastwagen. Diese übermitteln die Daten an die von der St. Galler Firma Intellion entwickelte Software «ObjectControl». Werden die vordefinierten Temperaturgrenzwerte über- beziehungsweise unterschritten, generiert das Programm eine Temperaturwarnmeldung.

Mehr Wirtschaftlichkeit
Neben der Temperaturüberwachung konnte man auf Basis der gewonnenen Echtzeitdaten auch andere Bereiche in der Logistik effizienter gestalten. Den grössten Nutzen erzielte die GMOS im Bereich Arealmanagement. Die bei der Ein- und Ausfahrt identifizierten Fahrzeuge und die dabei entsprechend erfassten Zeiten werden automatisch mit der vorhandenen Grobplanung für Touren, Verladung und Fahrereinsatz abgeglichen. Der Fahrer erhält bei der Zufahrt auf das Gelände die Information, welches die geeignete Verladerampe für den nächsten Fahrauftrag ist.

Dadurch konnte die GMOS eine Werkverkehrsequipe einsparen, die vor dem RFID-Einsatz für die Bereitstellung motorloser Fahrzeuge notwendig war. Zusätzlich verbesserte sich die Bewirtschaftung der Einsatzzeiten von Fahrzeugen und Fahrern markant.

Heinz Hauser, Projektleiter der GMOS, äussert sich denn auch zufrieden über das Ergebnis. Mit dem Einsatz von RFID konnte die Genossenschaft sowohl die angestrebte Qualitätssteigerung in der Kühlkette als auch eine hohe Wirtschaftlichkeit des Projektes realisieren. Den jährlich wiederkehrenden Einsparungen von 280 000 Franken standen einmalige Projektkosten von 470 000 Franken gegenüber. Der ROI war damit in weniger als zwei Jahren realisiert.

Nicht nur positive Erfahrungen
Trotzdem spricht Heinz Hauser auch offen über Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt. Bis zum einwandfreien Zusammenspiel zwischen Lesestellen und Transpondern musste zum Beispiel zusätzlich Zeit aufgewendet werden. Dadurch verzögerte sich das Gesamtprojekt. Heinz Hauser weist darauf hin, dass RFID-Lösungen zum heutigen Zeitpunkt massgeschneiderte Einzelanfertigungen sind. Für die Konzeptionsphase, aber im Besonderen für die Phase der Inbetriebnahme (Test, Optimierung, Go Live) empfiehlt er, entsprechende Zeitbudgets einzuplanen. Eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Gelingen eines RFID-Projektes sind für Hauser die Prozess- beziehungsweise Branchenkenntnisse des externen Partners. Nur auf diese Weise sei gewährleistet, dass – im Zusammenspiel mit dem Know-how über die technischen Möglichkeiten von RFID-Systemen – Effizienzsteigerungspotenziale schon im Vorfeld identifiziert und realistisch quantifiziert werden könnten.

Sorgfältige Partnersuche – Die Erfahrungen der Migros Ostschweiz decken sich weitgehend mit denen der Inova Management AG:

  •  Es gibt keine RFID-Standardlösungen. Das Beispiel der Migros Ostschweiz zeigt die Notwendigkeit, jede Lösung masszuschneidern und auf die jeweilige Projektsituation anzupassen.
  • Einsparungs-/Nutzenpotenziale sind im Voraus schwer abzuschätzen, da unterschiedliche Nutzenkategorien und vielfältige RFID-Einsatzgebiete eine standardisierte Wirtschaftlichkeitsberechnung erschweren. Vor diesem Hintergrund kam Fujitsu Europe Ltd. im Frühling 2005 auf Inova zu. Fujitsu Europe fokussierte sich bei der Suche explizit auf einen Spezialisten für Supply-Chain-Management, der die Potenziale und die Risiken eines RFID-Einsatzes innerhalb des Unternehmens aufzeigen sollte – unabhängig von potenziellen Soft- und Hardwarelieferanten. 
  • Geht es Zulieferern darum, sich kurzfristig dem Druck von Grosskunden nach durchgängigen RFID-Lieferketten anzupassen, generieren die dadurch entstehenden sogenannten Slap&Ship-Lösungen für das eigene Unternehmen aber vor allem Kosten – und nur wenig Nutzen in den eigenen Prozessen.
  •  Im Gegensatz zu einer Insellösung, wie sie bei der Migros Ostschweiz realisiert wurde, steigt bei unternehmensübergreifenden RFID-Projekten der Projektmanagement- und Koordinationsbedarf überproportional an. Eine sorgfältige Planung und die Einigkeit mit den Partnern bezüglich Kosten(aufteilung), Nutzenvorstellungen, Terminen und Ressourcen sind dabei unabdingbare Voraussetzungen für ein erfolgreiches RFID-Projekt.
  • RFID wird oft als Heilmittel gegen ineffiziente Prozesse gesehen. Der Einsatz von RFID in bestehenden und unveränderten Prozessen muss aber nicht automatisch den höchsten Wirkungsgrad zeigen. Vielmehr geht es darum, schon in der Anfangsphase eines RFID-Projektes die Geschäftsprozesse zu analysieren. Dabei kann sich herausstellen, dass ein Prozess-Redesign die effizientere Lösung ist als ein reiner RFID-Einsatz.

Genügend Zeit einplanen

Die in Abbildung 2 dargestellte Projekt-Methodik der Inova Management AG beinhaltet in den ersten beiden Projektphasen die Analyse der Geschäftsprozesse sowie die Identifikation und Gewichtung der Nutzenpotenziale als zwei zentrale Elemente.

Der Business-Case und die darin festgehaltenen Eckwerte zur Wirtschaftlichkeit dienen nicht nur als Entscheidungsgrundlage für oder gegen ein RFID-Projekt; der Case stellt während der Implementierungsphase auch ein wertvolles Kontroll- und Frühwarninstrument dar.

In der Konzeptphase fliessen die in der Analysephase gewonnenen Prozesskenntnisse in die Festlegung der Soll-Prozesse ein, die als potenzielle RFID-Anwendungsfelder identifiziert wurden. Auf Grundlage der Soll-Prozesse werden das Pflichtenheft und die Systemspezifikation erstellt.

Wichtig ist, für die Phasen 1 und 2 genügend Zeit und Ressourcen einzuplanen. Nur so kann ein Unternehmen den definitiven Entscheid für oder gegen ein (aufwendiges) RFID-Projekt auf einer soliden Basis fällen.

Ist der Entscheid für ein RFID-Projekt gefallen, empfiehlt es sich, die angestrebte Lösung möglichst realitätsnah in einem Pilot zu testen (Phase 3). Der RFID-Pilot testet die innerhalb des Pflichtenheftes formulierten Anforderungen an die Technik und die IT-Systeme. Die gewonnenen Erkenntnisse erlauben es, den Business-Case weiter zu verfeinern. Die Auswertung der Pilotphase kann zeigen, dass die angestrebten Nutzenpotenziale nicht im erhofften Ausmass erreichbar sind oder unvorhergesehene technische oder IT-spezifische Probleme auftauchen. In diesem Fall ist auch nach einem Pilotprojekt ein kontrollierter Ausstieg aus dem Projekt möglich. Fallen die Ergebnisse zufriedenstellend aus, kann das Unternehmen die Implementierungsphase mit einem detaillierten Einführungsplan in Angriff nehmen.

Konsistente Methodik anwenden
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass RFID-Projekte dann erfolgreich sind, wenn eine konsistente Projekt-Methodik angewendet wird. Zu Beginn sollte nicht nur die technische Machbarkeit im Vordergrund stehen, sondern die Analyse der Geschäftsprozesse und die Formulierung eines fundierten Business-Cases. Damit lassen sich in den nachfolgenden Phasen unliebsame Überraschungen in Form von Projektverzögerungen, Kostenüberschreitungen oder Nicht-Erreichen von Nutzenzielen weitgehend eliminieren.


Autor:
Stephan Kaufmann
lic. rer. pol. Senior Consultant Inova Management AG
stephan.kaufmann@inova-ch.com


Sabine Ernsting
Inova Management AG
Verenastrasse 37
CH-8832 Wollerau
Tel.      + 41 (0)44 786 33 11
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